Mittwoch, 7. März 2007

Tage im Winter II

Alle haben mich davor gewarnt und konnten es doch nicht verhindern: Ich schreibe die Fortsetzung des Schottland-Reiseberichts so lange nach der Reise, dass ich die Hälfte des Erlebten längst vergessen hatte. Der folgende Bericht wird daher leider etwas weniger detailliert ausfallen, ich hoffe aber trotzdem, dass ich noch alles wichtige zusammen bekomme.

Zum ersten Tag gehört noch das erste Mal Bus fahren in Edinburgh. Wir wollten zum Kino und danach möglicherweise noch was trinken gehen, so dass Autofahren nicht in Frage kam und wir uns für den ÖPNV entschieden. Das Preismodell ist einfach: Jede Fahrt kostet 1,- Pfund (ca. 1,50 Euro). Man bezahlt beim Busfahrer, muss passend bezahlen und erhält dafür einen ca. 20 cm langen Papierstreifen als Fahrschein. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber vielleicht noch praktikabel. Möchte man umsteigen, muss man im neuen Bus erneut ein Pfund bezahlen, wenn man zuvor nicht Besitzer eines Daysaver-Tickets geworden ist. Diese Tageskarte berechtigt zur Fahrt im gesamten Stadtgebiet bis zum Ende des regulären Verkehrs und kostet 2,30 Pfund (ca. 3,50 Euro), was vergleichsweise günstig ist. Auch diese 2,30 Pfund muss man jedoch passend dabei haben, was gelegentlich ein bisschen anstrengend war. Noch anstrengender war jedoch das Bus fahren selbst: Als allein reisender Tourist ist man in dieser Stadt hoffnungslos verloren: Es gibt im Bus keine Linienkarten, keine Ansagen, keine Hinweise über Halte- und Umsteigepunkte. Und in Berlin schimpfen die Leute auf die BVG… Der Bus fährt und fährt und hält gelegentlich an Haltestellen an, deren Haltestellenschilder allerdings so klein geschrieben sind, dass man vom Bus aus nicht mal auf diese Weise eine größere Chance gehabt, zu erkennen, wo man ist. Meine augenscheinliche Verstörtheit diesbezüglich veranlasste meinen Gastgeber zu den aufmunternden Worten, dass man dem Busfahrer bescheid sagen könne, wo man aussteigen will – er würde sich dann irgendwie bemerkbar machen. Spannende Sache.

Der zweite Tag begann mit einem gemütlichen Ausschlafen und anschließendem Frühstück, das sich fast bis zum Mittag hinzog. Erfreulicherweise war das Wetter wirklich schön, die Sonne schien gelegentlich, es regnete nicht und war auch angenehm mild – nicht gerade das typisch, schottische Wetter. Wir wollten etwas weiter in Norden und uns dort das kleine Universitätsstädtchen St. Andrews an der Nordsee ansehen. Der Weg aus Edinburgh hinaus führte über eine mautpflichtige Brücke, die mit 80p (1,20 Euro) ebenfalls verhältnismäßig preiswert war und zudem nur in einer Richtung kostenpflichtig war. St. Andrews ist eine wirklich hübsche Stadt – allerdings selbst im Winter überladen mit Touristen. Nach halbstündiger Suche haben wir einen Parkplatz gefunden und versucht, herauszufinden, wie man einen Parkschein löst. Automaten gab es nicht, also sprachen wir so eine Art Polizisten an. Er erklärte uns, dass man die Parkscheine in den angrenzenden Läden der Straße kaufen könne, was wir dann auch gemacht haben. Der Parkschein war etwa postkartengroß und man musste ankreuzen, an welchem Tag zu welcher Zeit man ihn nutzen will. Ungewöhnliches Konzept, aber hat sicher auch Vorteile.

In St. Andrews gibt es neben vielen schönen Häusern die Reste einer zerstörten Kathedrale zu sehen, was selbst als Rest sehr beeindruckend ist. Die Kathedrale steht nur wenige Meter vom Nordseestrand entfernt und darum herum gab es zahlreiche Grabsteine – ein Friedhof mit Meeresblick. Hat auch was. Dem Strand voraus geht eine große Wiese mit vielen Spielgeräten für Kinder, Bänken und Tischen zum Picknicken und das ganze mit der ziemlich aufgewühlten Nordsee im Hintergrund – wirklich schön. Die vielen bauch- und beinfrei herumlaufenden Leute ließen den Eindruck entstehen, dass die rund 10 Grad Celsius, die es an dem Tag waren, für die Schotten schon Hochsommer sind. Wenige Minuten später beobachteten wir dann auch eine Gruppe von Jugendlichen, die den sonnigen Tag für ein mehrfaches Baden in der Nordsee nutzten. Ich hatte allerdings das komische Gefühl, dass sie nach dem Sprung vom Pier auch schnell wieder aus dem Wasser raus wollten :-)

Irgendwann bekamen wir Hunger und Durst. Das Hungerproblem ließ sich in einem Subway recht gut lösen, auch wenn ich schon längst wieder vergessen habe, was "Gurken" auf Englisch heißt, aber so schnell brauch ich das Wort vermutlich nicht. Das mit dem Trinken war schwieriger – ich mag auf Teufel komm raus kein stilles Wasser und mir sind jegliche Säfte und vermeintliche Erfrischungsgetränke viel zu süß. Ein Wasser mit Sprudel musste her, was allerdings durch die uneinheitliche Bezeichnung ziemlich kompliziert war. Wir haben uns dann für zwei Sorten Mineralwasser entschieden und glücklicherweise waren beide "laut". Das sind so Dinge, die einem sonst den ganzen Urlaub versauen können :-)

Der Tag in St. Andrews verging ziemlich schnell, so dass wir Abends eigentlich nur noch mal in einem der größten Outlet Stores Schottlands in der Nähe von Edinburgh einkaufen gehen wollten – es aber leider nicht gefunden haben, da das Navi den Outlet Store nicht als POI (oder neudeutsch: OVI – Ort von Interesse) kannte und wir niemanden gefunden haben, der uns eine genaue Anschrift nennen konnte. Müde von der vielen frischen Luft und gestresst von meiner größten Herausforderung der letzten Jahre namens Linksverkehr sind wir dann nach Hause gefahren, wo mein Gastgeber mit aller Kraft versucht hat, mich dazu zu überreden, noch eine interkulturelle Party zu besuchen. Es gelang ihm nicht und ich bin dankbar dafür, dass er es irgendwann aufgegeben hat.

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